Montag, 3. März 2008
02.03.08
Gegen 11:30 holt mich Eduardo mit seinem Freund mit dem Taxi aus Brasilia ab. Die Fahrt dauert etwa 1,5 Stunden. Je weiter wir uns Abadiania nähern, desto grüner wird die Landschaft – und desto wärmer die Temperatur. In Abidania hat es 27° und es scheint die Sonne. Eduardo spricht ganz wenig Spanisch, aber wir können uns irgendwie verständigen. Er erzählt mir, dass das Klima in Abadiania viel angenehmer als in Brasilia ist, weil es hier stabiler ist und nicht dauernd hin- und herschwankt.

Endlich kommen wir in Abadiania an. Der Ort sieht ähnlich aus, wie die Orte an denen wir vorbeigekommen sind – teilweise ziemlich verfallene Häuser, Hunde auf der Straße – und im Bereich der „Casa“ ganz viele „Pousadas“ (Pensionen). Zuerst fahren wir in die Casa, damit ich diese einmal gesehen habe. Schon ein ganzes Stück weg von der Pension! Im Schnelldurchgang kann ich noch nicht soviel erkennen. Ein recht großes Anwesen, mit einem weiß-blauen Zaun umgeben, alles recht menschenleer. Am Sonntag ist generell wenig los in Abidania, da Joao ja nur von Mittwoch – Freitag arbeitet. Dann allerdings sind angeblich die Straßen voller Menschen. Auf Brasilianisch haben die Wochentage keine Namen, sondern Nummern: Quarto, Qunito und Seixto sind die Tage, an denen hier viel los ist.
In der „Pousada Jardim Dos Anjos“ erwartet mich (vermutlich) der Bruder von Maurizio, dem Inhaber. Von außen sieht die Pousada ganz nett aus, allerdings etwas kleiner und nicht so ganz schön wie im Internet. Als ich mein „Zimmer“ sehe, muss ich zuerst etwas schlucken. An einem überdachten Gang liegen die Zimmer nebeneinander (mit Fenster zum Gang). Die Zimmertüre ist nur eine ganz dünne Blechtüre. Wenigstens haben die Fenster Mückennetze! Das Zimmer selbst erinnert mich im ersten Moment an die Klause in einem Kloster. Kaum 2 Meter breit und 3 Meter lang, ein Bett steht in der Mitte, ein Plastikstuhl – das war’s.

Das Zimmer ist komplett gefliest (bis auf 1,5 Meter Höhe), wenigstens ist somit eine gewisse Sauberkeit sichergestellt. Andererseits sieht es dadurch noch steriler und auch ein wenig nach Krankenhaus aus. (Vom Komfort her kann sich allerdings durchaus mit den Zimmern in Großhadern messen…) Das winzige „Bad“ besteht aus einer Kloschüssel mit abgebrochenem Sitz, einem 15-cm Waschbecken (nur Kaltwasser) Meine Klause
und einem Duschrohr, welches oben aus der Wand ragt. mein Badezimmer ...
„Bitte den Boden nicht mit Handtüchern reinigen“ steht da. Und dass man kein Klopapier ins Klo werfen soll, wie in Griechenland. Scheinbar hat die Dusche Warmwasser aus einer Solaranlage, denn man kann ganz oben einen zusätzlichen Hahn aufdrehen. Ob das allerdings wirklich warm ist, wird sich noch herausstellen (bei Schlechtwetter dann vermutlich nur kalt duschen brrrr…). Mit mir ist scheinbar eine französische Gruppe hier, vor den Zimmern sind lauter Schildchen mit französischen Namen und es steht auf einer Tafel „Groupe Julia, Dimanche 19.00 partir pour manger“. Hoffentlich duschen die mir nicht das ganze warme Wasser weg!

Mittlerweile ist es halb zwei und nachdem ich den ersten Schock hinter mir habe, begebe ich mich auf Entdeckungstour, denn mein Magen knurrt. Aber das „Restaurant“ (der Eßbereich) sieht verdächtig leer aus. Schon alles weg? Oder war gar nichts da? Scheinbar gibt es am Sonntag kein Essen. Da treffe ich wieder den Bruder von Maurizio. Nach einigen vergeblichen Verständigungsversuchen auf Brasilianisch und Englisch stellt sich heraus, dass er (wie Maurizio) aus Chile kommt und deshalb perfekt Spanisch spricht. Problem gelöst! Er bietet sich an, mir eine Pizzeria zu zeigen, in der man am Sonntag was essen kann. Es hat nicht soviel geöffnet. Er warnt mich, nachts nicht auf die andere Seite des Ortes zu gehen, dort könnte es ein bißchen gefährlich sein. Im Bereich der Casa ist es allerdings sicher, denn da sind sehr viele Ausländer permanent auf der Straße. Als wir in der kleinen Pizzeria ankommen, sind alle Tische besetzt (überwiegend von einer sehr lauten englischen oder amerikanischen Gruppe). So einfach dazusetze möchte ich mich auch nicht. Er bemerkt meine Unsicherheit und kommt zurück und zeigt auf einen Tisch im hinteren Teil, an dem eine blonde (fast etwas weißhaarige) Frau so zwischen 40-50 sitzt. Er sagt die Dame kommt aus Deutschland, da kann ich mich sicher dazusetzen. Na gut, also frage ich und ich darf mich dazusetzen. Zuerst ist sie etwas zugeknöpft, als sie aber dann mitbekommt, dass ich zum ersten Mal da bin und mich überhaupt nicht auskenne, wird sie etwas redseliger. Sie war schon oft da (teilweise monatelang) und erzählt mir, dass man mit dem Touristenvisum 3 Monate bleiben darf und wenn man dann Glück hat (je nach Tagesverfassung der Beamten auf dem Polizeipräsidium) kann man nochmals 3 Monate verlängern. Sie freute sich dann doch, ein wenig Deutsch sprechen zu können, denn ihr Freund ist Amerikaner und sie hat kaum noch Gelegenheit, Deutsch zu sprechen.

Sie fragt mich, woher ich Joao kenne und ich erzähle ihr von dem Buch und Film von Clemens Kuby. Sie war auch dabei, als Joao im Dezember 2005 in Deutschland war, und auch schon bei seinem voherigen Besuch, der sich irgendwo in zwei Zelten im Wald abspielte. So nach und nach erzählt sie mir dann ihre Geschichte. Sie war 11 Jahre lang vollständig gelähmt und kann erst seit ungefähr 1 Jahr wieder laufen. Bevor sie Joao kennenlernte war sie ein Vollpflegefall und konnte nur im Bett liegen. Sie war früher Krankenschwester, sportlich aktiv und wurde plötzlich von verschiedensten Krankheiten heimgesucht. Zuerst begann es mit verschiedenen Allergien und Vergiftungserscheinungen, dann hatte sie eine Borreliose und Zefalo-enzapholitis (oder so ähnlich), dann begann sie langsam die Kontrolle über den Körper zu verlieren (weil das Gehirn geschädigt war), ihr fielen die meisten Zähne aus (sie hat vorne im Unterkiefer keine Zähne, das sieht am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig aus). Dann bekam sie auch noch Multiple Sklerose und war völlig ans Bett gefesselt. Eine Therapeutin erzählt ihr dann von Joao de Deus und dass zwei Patientinnen von ihr nach Brasilien fahren würden und ihr Foto mitnehmen könnten (sie war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht reisefähig). Das ganze kam ihr zwar suspekt vor, aber sie willigte ein und gab ihr Foto mit. Kurz nachdem die beiden dort waren besserte sich ihr Zustand soweit, dass sie vom Bett in den Rollstuhl konnte. Sie hat dann Gott und die Welt in Bewegung gesetzt, um beim ersten Besuch von Joao in Deutschland dabei sein zu können. Kurz davor hatte sie eine Kiefer-OP und eine Entzündung im Kiefer bekommen, welche trotz Antibiotika immer schlimmer wurde. Ihr Hausarzt hatte schon aufgegeben, da sie praktisch auch keine Venen mehr hatte. Sie war dann bei Joao, aber war enttäuscht, dass er ihr keine spirituelle OP verordnet hatte, sondern sie nur in den Meditationsraum gesetzt hatte. Kurz darauf wurde aber ihr Kieferproblem besser und heilte ganz aus. Beim nächsten Besuch von Joao in Deutschland war sie wieder dabei. Er berührte ihre Beine und sagte ihr, dass wenn sie nach Brasilien käme, sie geheilt werden könnte. Na ja, und so ist sie dann nach Brasilien gekommen und tatsächlich nach einigen Monaten aus dem Rollstuhl aufgestanden – und läuft jetzt ganz normal. Sie hat noch einige andere gesundheitliche Probleme, an denen sie arbeitet, aber sie arbeitet zugleich auch als Medium in der Casa. Ich kann jetzt gar nicht alles wiedergeben, was sie mir erzählt hat, aber sie ist nach dem Essen dann mit mir zur Casa gegangen und hat mir alles gezeigt und erklärt. Die Casa ist ein mystisch-schöner Ort mit einem Meditationsbereich mit einem unwahrscheinlichen Ausblick auf ein Tal. Es war wirklich eine gute Fügung, dass ich Sabine getroffen habe, denn sie hat mir den Ablauf in der Casa genau erklärt und auch viele gute Tips gegeben, wie das alles so läuft. Man kann jederzeit (von Mittwoch bis Freitag) zu Joao gehen und ihm jegliche Fragen stellen oder Bitten vorbringen, die dann von den geistigen Wesen entweder beantwortet – oder auch nicht werden. In jedem Fall muss man sich auf eine längere Zeit einstellen, die der Heilungsprozess dauert, es ist allerdings nicht an den Ort gebunden. Man bekommt teilweise recht klare Antworten und Anweisungen – manchmal aber auch nur sehr undurchsichtige oder gar keine Antworten. Und der „körperliche“ Teil des Heilungsprozesses ist nur ein kleiner Teil. Sabine hat mir erzählt, dass sie, als sie wieder gehen konnte, zuerst in ein tiefes Loch gefallen ist – und dass es auch für ihre Familie ganz schwierig war. Schließlich war sie unheilbar krank – und die ganzen spirituellen Dinge haben große Verunsicherung in ihrer Familie ausgelöst. Aber auch sie selbst ist eine Sinnkrise gekommen und versucht sich erst langsam einen neuen Weg zu suchen.

Und ich werde mich jetzt wieder einmal auf die Suche nach Futter machen, denn ich habe Hunger. Hier in der Pousada ist ein ganz winziger schwarzer Hund, der aber zu mir sehr freundlich ist. Muss dabei an Simon denken, der hätte seine Freude an ihm.

20:45 Mein Gott, gibt es hier viel zu erleben. Ich könnte schon wieder weitere Romane schreiben. Aber der Reihe nach. Maurizio ist aufgetaucht, das ist ein älterer Herr und sein Bruder war doch nicht sein Bruder, sondern der Hausmeister der Pousada. Aber auch er spricht perfekt Spanisch und so ist die Verständigung überhaupt kein Problem. Er ist seit 4 Jahren hier, er hat mir erzählt dass er einen Freund begleitet hatte und dann als er hier war sofort wußte, dass er hier bleiben und hier wohnen würde.
Zuerst bin heute abends nochmals zur Casa gegangen und hab mich auf die Meditations-Terasse gesetzt. Das ist so eine Holzterasse, welche direkt über dem Tal liegt und man hat einen unglaublich schönen Ausblick in die ganze Landschaft. Ich kam genau kurz vor dem Sonnenuntergang und am Himmel hat sich ein fast unwirkliches Schauspiel abgespielt. Es gab verschiedene Wolkenformationen, die so ausdrucksvolle Figuren gebildet haben, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Dies vor einer Kulisse, die ich gar nicht beschreiben kann. Morgen nehme ich meinen Fotoapparat mit, hoffentlich gibt es so ein Schauspiel nochmals. Man spürt in dem Gelände der Casa, dass es ein hoch-spiritueller Ort ist, es ist wie eine pulsierende Energie. Ich habe mir dann danach noch den Hauptversammlungsraum mit der Bühne etwas näher angesehen. Überall hängen Bilder und Auszeichnungen. Vom Dalai Lama über Sai Baba bis zu Papst Johannes Paul II, hier scheint wirklich jede Relegion willkommen zu sein. Dann gibt es noch den Raum mit den ganzen weggeworfenen Krücken und Gehilfen (die sind allerdings schon etwas älter, denn die modernen, noch brauchbaren werden mittlerweile wiederverwertet). Danach war ich -nach einiger Suche- doch wieder im gleichen „Restaurant“ wie zu Mittag essen. Ich hab so eine Art Eintopfgericht mit Karotten, Zucchini, Blumenkohl, Bohnen und Hühnerfleisch gegessen – war recht gut. Als Nachtisch habe ich Acai probiert, das ist eine Amazonas-Frucht die ganz besonders gesund sein soll. Ach ja, Früchte gibt es ja in Brasilien ohne Ende – wohl vieles vom Amazonas. Bestellt man „Agua de Coco“ bekommt man eine aufgehackte grüne Kokosnuss mit einem Strohhalm hingestellt. Schmeckt sehr gut und erfrischend. Ganz üblich ist es auch, irgendwelche frisch gemixten oder gepressten Fruchtsäfte zu bestellen, z.B. Succo di Mamao (Papaya-Saft, schmeckt sehr gut, vor allem in Kombination mit Ingwer oder Orangensaft) oder alle anderen tropischen Früchte, die man sich vorstellen kann. Und diese frischen Säfte kosten fast nichts, selbst hier in Abadiana, wo alles schon wegen der vielen Ausländer relativ teuer ist (umgerechnt 1,20€ - 1,60€ für ein riesiges Glas frisch gepreßten Saft). Abends wurde es jetzt plötzlich ziemlich kalt und ich hab im Restaurant richtig gefroren (es ist ja alles offen hier, Heizung oder so was gibt es sowieso nicht). Deshalb hab ich dann zum Nach-nachtisch noch einen Inger-Limonen-Honigtee bestellt. Ja, sowas gibt es auch hier.

Beim Heimweg hab ich mich dann über eine kleine aufgeregte Menschenmenge gewundert. Die standen um einen ca. 10 cm großen schwarz-glänzenden Käfer herum. Ein beeindruckendes Tier. Noch beeindruckender war aber der (ohne Übertreibung) ungefähr 20 cm große Frosch, der direkt daneben saß und um den die diversen Hunde immer herumschnüffelten. Ach ja, Hunde gibt es hier ohne Ende! Die scheinen hier wild – aber geduldet zu leben, denn einige haben so Floh-Halsbänder um. Und sie sind sehr zutraulich (das sind so kleine Hunde, die ungefähr so groß sind wie Felix, als wir ihn vom Züchter abholten). Die Häuser sind teilweise ganz schön verfallen und manche Einheimische wohnen wirklich eher in Lehmhütten als in Häusern.
Die Autos und vor allem die LKWs die hier über die holprige Straße durchdonnern sind teilweise für unsere Verhältnisse unvorstellbare Gefährte.
Leider bellen einige Hunde die ganze Zeit, ich fürchte fast, dass wird die Nacht so durchgehen. Gerade beim Heimweg bin ich an dem zweiten Café im Ort vorbeigekommen, da spielte ein Österreicher mit der Ziehharmonika und es waren scheinbar einige andere Österreicher auch dort. Sonst ist das Bild dominiert von Amerikanern und Engländern, die sieht man praktisch an jeder Ecke. Und Franzosen, aber die wohnen alle in meiner Pousada. So – jetzt mache ich Schluß für heute.

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