Sonntag, 9. März 2008
08.03.08
Hallo Simon,

Du bekommst heute als erstes die versprochenen Hundebilder. Es haben sich noch ein paar andere Tiere aus Abadiania draufgeschlichen, ich hoffe es macht nichts.



Die Qualität deines Bewußtseins in diesem Moment gibt der Zukunft Gestalt. Dieser Satz aus dem „tolle-n“ Buch „Jetzt“ von Eckhart Tolle (danke übrigens nochmals Claudia & Lois) hat mich heute begleitet. Samstag ist es eher ruhig in Abadiania, in der Casa ist nichts los, viele Leute sind abgereist. Das Wetter: wie immer sehr wechselhaft, heute morgen Regen, dann Sonnenschein, dann wieder Regen, dann wieder trocken, dann wieder Regen … Zur Zeit (es ist gerade 20:15) tönt so laute Disco-Techno-Musik durch den Ort, dass in unserer Pousada richtig die Fensterscheiben zittern würden, wenn es denn welche gäbe. Unglaublich, ich weiß gar nicht wo die her kommt. Aber da sie schon vor 20.00 Uhr begonnen hat, habe ich gewisse Hoffnung, dass sie nicht allzulange dauern wird.

Die Qualität deines Bewußtseins in diesem Moment … Wenn man mit diesem Gedanken so durch den Tag spaziert, kann man an keiner Blume am Wegrand mehr vorbei gehen, ohne sich an ihr zu freuen. Und es stimmt nun mal, das Leben findet ausschließlich jetzt statt – jegliche Projektionen des Verstandes in die Zukunft oder Nachgrübeln über die Vergangenheit belasten eigentlich nur und bringen nichts. Das mit dem Nachgrübeln belastet mich ja nicht so sehr, aber die „Qualität des Bewußtseins“ trifft mich bis ins Mark. Das war bislang nicht so meine Spezialität. Noch ein Satz gefällig? „Der Verstand erschafft eine Besessenheit von der Zukunft als Flucht vor der unbefriedigenden Gegenwart“. Hier in Abadiania bekommt man viel Gelegenheit, in der Gegenwart zu bleiben und den Moment der Gegenwart zu erleben. (Ein Aufenthalt hier ist übrigens nicht nur für Kranke zu empfehlen, es sind auch einige „Gesunde“ hier – falls irgendjeman das überhaupt wirklich ist – man kann ja mit den Entitäten alles mögliche besprechen, durchaus auch z.B. seine beruflichen Pläne). Ich würde nur empfehlen, einen Schlafsack mitzunehmen, denn der nächtliche Kampf mit diesem blöden dünnen Bettlaken und der staubigen Wolldecke, die sowieso immer runterfällt ist kein Vergnügen!

Meine Rückenschmerzen sind leider immer noch nicht besser geworden, eher im Gegenteil. Ich hab mir deshalb den heiligen Wasserfall lieber gespart, denn so eine eiskalte Dusche (und man soll sich nachher nicht abtrocknen, sondern „lufttrocknen“ lassen wäre meinem Rücken vermutlich nicht förderlich). Statt dessen war ich am Nachmittag bei einer Masseurin. Hier eine interessante Beobachtung: die konnte kein Wort Englisch oder irgendeiner gebräuchlichen Sprache, sondern nur Brasilianisch. Unsere Konversation beschränkte sich also auf mein „muito dor nas costas“ (was soviel heißt wie: starke Rückenschmerzen). Als sie mir den Bauch massierte zeigte sie genau auf die Stelle, an der mein Lymphknoten ist (oder vielleicht war?) und fragte mich, ob ich da operiert worden bin. (Operation heißt „cirurgia“ – das kenne ich, weil es in der Casa immer ausgerufen wird, wenn die Operationen dran sind). Natürlich bin ich da noch nie operiert worden, zumindest nicht „sichtbar“. Sollte sie irgendwie die vielleicht an dieser Stelle stattgefundene „unsichtbare“ Operation gespürt haben? Tastbar war der Lymphknoten jedenfalls noch nie, auch nicht wie er ganz groß war, da er ja ganz tief drinnen saß. Aber schon seltsam, oder? Aber man wundert sich hier wirklich über wenig. Ein weiteres Phänomen: hier tauchen auf Fotos immer wieder runde weiße Flecken auf, die manchmal auch einen Strahl hinter sich herziehen. Ich habe selbst so ein Foto in Brasilia gemacht, vom Nationalmuseum und hab mich gewundert, warum plötzlich ein Mond am Himmel zu sehen ist, obwohl gar keiner da war. Ich hab dann nochmals fotografiert, da war kein Mond mehr da. Heute abend haben wir die Fotos der Reisegruppe (war übrigens gestern ein Fehler: die reisen erst morgen, Sonntag ab) angesehen und gab extrem viele solcher Fotos, vor allem aus Abadiania und Umgebung. Die „Profis“ hier finden das gar nicht seltsam, das sind einfach die „Entitäten“, die manchmal auf Fotos zu sehen sind, ist ein bekanntes Phänomen. In der Casa hängen auch einige solcher Bilder, inbesondere wenn Joao beim Operieren fotografiert wird, ist das fast immer so. Ich dachte zuerst an Wassertropfen auf dem Objektiv oder sowas. Aber bei so vielen verschiedenen Leuten, verschiedenen Kameras? Und ich hatte diesen Effekt bei meiner Kamera noch nie zuvor. Hier ist mein Bild, wenn ihr es nicht glaubt:



Morgen wird nochmals ein ganz ruhiger Tag –und wenn die Franzosen-Schweizer weg sind, bin ich im Moment ganz alleine in der Pousada – bin mal gespannt, ob Nachschub kommt. Ach ja, ich konnte meinen Flug übrigens umbuchen (nachdem ich heute ungefähr 20 x bei Lufthansa angerufen hab, die hatten fast den ganzen weltweiten Systemausfall des Buchungssystems und konnten gar nichts machenn) und fliege jetzt am 22.3. (Ostersamstag) zurück und komme dann am Ostersonntag gegen 13.00 Uhr in Salzburg an (Anne, ihr kommt gegen 19.00 Uhr an, das paßt dann also wunderbar).

Heute hatte ich mal ausführlich Zeit, Fotos zu machen. Brasilien ist ein ein so farbenprächtiges Land, jedes Haus hat eine andere Farbe und die Brasilianer haben überhaupt keine Hemmung, Farben in jeder Lebenslage zu verwenden. Bei Uniformen von allen möglichen Berufen gibt es alles, was man sich vorstellen kann. Kleidung: sowieso und an jeder Ecke stolpert man über neue Farbkombinationen. Weil ich heute so schön beim Collagen machen bin, hier gleich noch eine mit ein paar Farben aus Abadiania.



So, damit schließe ich meinen heutigen Tagebucheintrag und wünschen allen meinen werten Lesern einen schönen und erholsamen Sonntag! Ach ja, fast hätte ich es vergessen: ich hab mir einen Hut gekauft. Das Bild muss ich Euch noch schnell zeigen!


(die etwas verkrampfte Haltung kommt daher, weil ich zu faul war, den Selbstauslöser zu programmieren und das Bild einfach „freihändig“ gemacht habe.

Ach ja, und gerade klopft meine Zimmernachbarin Claudia, eine halbe Deutsch-Schweizerin und bringt mir 2 Oropax, weil sie meinte, dass das länger dauern wird. Ist wohl ein Livekonzert und auch die letzten Wochen ging es von Samstag auf Sonntag praktisch durch ... Irgendwie schade, dass wir als Casa-Patienten zu sowas nicht hingehen sollen, das wäre sicherlich sehenswert!

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